(von Shihan Armin Dörfler)
Shiatsu – oder Kampfkunst = Heilkunst
Dieser Artikel ist der erste von mir über Gesundheit und Heilung; nach reiflicher Überlegung und auf Wunsch vieler.
Shiatsu ist die Kunst, ohne Hilfsmittel und nur mit den Händen zu heilen (Shiatsu bedeutet wörtlich „Fingerdruck“). Zur Erklärung muss ich etwas zurückgehen: In Asien im allgemeinen und im China-Shaolin im besonderen gibt es keine Trennung von Kampfkunst und Heilung. Beide Künste haben viele Gemeinsamkeiten; die des Chi (Ki), die Harmonisierung der fünf Element und die Techniken selbst. Die Oberstufen des Budo Taijitsu sind verbunden mit den Atemregulierungen, innerlicher Übung und Keisatsu. Ihr Ursprung durch Tamo (Boddhidarma) war Bewegung und Massage zur körperlichen Verbesserung der Gesundheit. Das war die Basis der Kampfkünste. Um die höchste Stufe in der Kampfkunst zu erreichen, muss erst Körper, Seele, Geist (Sanshin) in Harmonie stehen. „Wer gegen die Regeln des Kosmos verstößt, zerstört sein Selbst“ – Huang Ti Nei – 3. Jh. V. Chr. Die Heilkünste sind eine holistische Medizin, welche den ganzen Menschen meint. Sie bestehen aus Techniken wie Zhen Jin oder Akupunktur, Pulsdiagnostik, Shiatsu, Moxibastion, etc.
Shiatsu, diese neue alte Kunst wie sie heute bekannt ist, werde ich nun „Keisatsu“ nennen, die Kunst, wie ich sie von meinem Lehrer Dr. Hatsumi lernte (das Wort „Shiatsu“ gibt es erst seit den 30er Jahren). Keisatsu zu verstehen oder zu geben heißt immer die Person zu verstehen und erkennen.
Krankheiten entstehen aus Ängsten, Neigungen, Leiden, Rast ohne Bewegung. Wer z. B. faul und bedrückt ist, hat Schwierigkeiten mit der Atmung; wer sich gehen lässt, beschädigt die Milz. Der Unmoralische hat Herzprobleme. Nachtaktive und Ausschweifende haben Nieren- und Leberprobleme. Um eine Diagnose stellen zu können, muss man die Knochen, die Haut sowie die Muskulatur prüfen. Ebenso ist es wichtig, ob der Patient eher ein mutiger oder ein feiger Typ ist.
Auch scheinbar normale Schmerzen wie Migräne, Rückenschmerzen und Ermüdungserscheinungen bedürfen einer Behandlung. Allgemein müssen wir erst einmal vom Tablettenschlucken abkommen.
Schmerz heißt, die Psyche ist nicht im Einklang mit unserem Körper, das Yin + Yang (In – Yo) ist nicht mehr im Fluss, zu viel In oder Yo. Eine kleine Hilfe zum besseren Verstehen: aus Erzählungen wissen wir (wer nicht?), dass z. B. Frauen (die meistens die besten natürlichen Sensitivleitungskräfte haben), die mit den Leistungen ihrer müden Männer nicht zufrieden waren, zu einer „Lumbalmassage“ übergingen. Es leuchtet ein, dass Keisatsu auch eine Hilfe für sexuelle Müdigkeit sein kann.
Aber dieser Aspekt ist nur ein geringer (?) Im Vergleich zu den Auswirkungen bei allen Körperfunktionen. Keisatsu ist eine Art der Behandlung körperlicher Schmerzen mit dem Vorteil, dass man keine Medikament braucht und sie überall praktiziert werden kann. Mit ihrer Hilfe können starke psychosomatische Störungen beseitigt werden, jedoch keine Störungen bakterieller Natur oder Störungen, die einen chirurgischen Eingriff benötigen. Es wäre dumm zu glauben, mit Shiatsu einen Bruch oder eine starke Grippe, Blutungen im Magen oder bösartigen Krebs zu heilen. Also bitte Vorsicht, keine Behandlung durch Laien!
Positive Ergebniss werden besonders bei Energieverlust, Schwäche der Kampf(Lebens-)kraft, zu hohem/niedrigem Blutdruck, sexuellen Störfunktionen, Durchfall, Quetschungen, steifem Hals und Rückenbeschwerden erzielt. Bei zu starken Schmerzen, z. B. im Arm oder Oberschenkel, wird das gezielte Durchkneten des schmerzenden Muskels von einer physiologischen Empfindung angenehmer Art zu körperlichem Wohlbefinden. Die Finger-Handtätigkeit spielt hierbei eine wichtige Rolle, genauso wie eine feste und trockene Hand (keine Maschine könnte diese Tätigkeit übernehmen).
Die konzentrierte Aktion der Daumen, deren Unterteil die Stellen drückt, vereint sich mit ihr und erhöht die Wirksamkeit des Verfahrens. Mit den Handflächen hingegen bahndelt man größere Flächen wie Rücken oder Unterleib, wo eine breite Druckausübung nötig ist (auch für die Augen, Daumen wären hier fatal). Behandelt wird auf dem Boden, einer Matte, nicht auf den üblichen klassischen Massagebänken des Westens, denn nur hier kann der Druck aus dem ganzen Körper und Geist des Gebers kommen.
Die Behandlung kann allerdings an einer ganz anderen Stelle als der Problemzone stattfinden. So behebt Druck auf bestimmt Stellen der Fußsohlen etwa Nierenschmerzen und die Behandlung der linken Hand Herzbeschwerden.
Die Behandlungszeiten beim Keisatsu liegen bei ca. 3-60 min., in schwierigen Fällen täglich. Die Techniken können sein: drücken, ziehen oder streichen in Schüben oder Schlägen.
Hierbei werden Drüsen aktiviert, welche mit ihrer inneren Sekretion die Blutzirkulation im allgemeinen verbessern. Aber es werden auch Kanäle geschlossen und wieder geöffnet (In-YO Überschuss bremsen und wieder harmonisieren). Z. B. Entstehen Kopfschmerzen wie schon beschrieben aus zu viel Stress oder Bedrückung. Einfach erklärt: zu viel sauerstoffangereichertes Blut (Yo-Überhang) erweitert die Gefäße, diese drücken gegen die Nerven, die daraufhin schmerzen. Zur Behandlung müssen also Kanäle verengt und somit Yo abgebaut werden.
Keisatsu können wir aber auch ohne Ausbildung und Erfahrung an uns selbst in kleiner Form erleben. So halten oder streichen wir uns beispielsweise selbst den Bauch, wenn er schmerzt. Das ist die Grundidee des Shiatsu.
Aber so einfach es auch scheint, Keisatsu besitzt einen hohen Wortschatz. Bekannt sind 666 Druckstellen. Es sind zwar fast alle die gleichen wie bei Zhen Jin (Akupunktur), aber das ist ein anderes Kapitel. Für einen Lehrer oder Geber, wie der Behandler genannt wird, reichen in der Regel jedoch 69 völlig aus. Weniger ist mehr. So genannten Shiatsu-Instituten und Lehrern mit Diplom stehe ich skeptisch gegenüber, wenn man nach z. B. 1 Jahr oder 3 Monate oder sogar einem Wochenendkurs ein Diplom bekommt, weil es momentan in Mode ist oder eine Nachfrage besteht in dieser leider viel zu hektischen Welt.
Bei Keisatsu ist es wie in der Kampfkunst (Siehe Anfang – Nach Jahren verstehen!) Ein langer Weg, endlos in der Allee des Lebens. Erst nach ca. 18 Jahren Erfahrung fange ich an, etwas darüber zu schreiben, zu unterrichten und zu verstehen. D. h. Den Menschen mehr als Person zu erkennen, als einzigartig zu behandeln und zu lieben. Das ist der Weg der Heilkunst und des Budo wie ich ihn verstehe.
Wenn die Lebenskraft und Energie des Menschen ihn nicht mehr vorantreiben, kann seine Krankheit nicht mehr geheilt werden, denn sie sind die Grundlagen des Lebens.
Darum, sagt Hatsumi, muss man sie schätzen und pflegen. Wenn es keine Lebensenergie mehr gibt, wie soll man Heilen ?! Heilkunst = Kampfkunst
PS: mehr im persönlichen Gespräch oder Training.