Ishin-denshin

Ishin-denshin — diesen Begriff habe ich kürzlich in einem Buch gelesen. lshin-denshin, das trifft den Kern unseres Lernens bei Armin Dörfler genau. Es drückt die Art aus, wie Armin sein Wissen und Können weiter vermittelt. Hier werden nicht ständig irgendwelche Kata oder ähnliches wieder und wieder geübt und auswendig gelernt. Nein – bei Armin wird einem ohne es zu merken ein „Gefühl“ vermittelt.

Ishin-denshin: Das bedeutet in etwa, daß der Lehrer sein Kokoro (Herz-Geist) auf das Kokoro seines Schülers (Deshi) überträgt. So etwas kann nicht durch Vorführung von ”Lehrvideos“, Lesen von Büchern oder ständiges Hinterfragen des Sinnes des gezeigten geschehen. Man muß sich von seinem Lehrer führen lassen, in sich aufnehmen, was er einem ”überträgt”. Das läßt sich nicht intellektuell verstehen, es handelt sich hierbei vielmehr um eine unmittelbare Erfahrung. Nur so kann man irgendwann begreifen, worin der tiefere Sinn einer Technik oder Übung liegt.

Man darf nicht dauernd den Kopf mit allen möglichen Gedanken voll haben. Das alles blockiert nur, und man kann den wahren Sinn einer Übung nicht begreifen. Es ist in den meisten Fällen gar nicht nötig, bei einer gezeigten Technik zu viele Worte zur Erklärung zu verwenden. Das verwirrt meist nur. Schaut hin, denkt nicht, übt! Glaubt jetzt nicht, man soll hier zum willen- und gedankenlosen Roboter seines Lehrers werden. Es ist ein Unterschied, ob man gedankenlos alles nachmacht, was einem gesagt wird, oder ob man den Geist von störenden Gedanken befreit und einfach für neue Impulse öffnet, die sich in jedem Menschen, in jedem Geist anders entfalten! Ziel ist nicht, durch gedankenlose Imitation nur ein billiger Abklatsch des Lehrers zu werden, sondern den Sinn der Lehre zu begreifen und in sich aufzunehmen.

Dadurch, daß man nichts denkt und gedanklich nicht fixiert ist (Mushin), kann man auf einen Angriff im Kampf oder auch auf Probleme im Alltag richtig reagieren. Im Training bei Armin üben wir das. Vor dem Training wird meditiert, man läßt den Tag, alle Gedanken, die einen beschäftigen, hinter sich. Wenn man Mushin hat, der Geist also „Leer“ ist, kann man das Training unbeeinflußt von eigenen Vorstellungen und Vorurteilen in sich aufnehmen. Körper und Geist sind nicht mehr getrennt voneinander, vielmehr ist man in einem Zustand, der über Körper und Geist steht und diese vereint.

Irgendwann sollte jeder Schüler so weit sein, daß er in jeder Lebenssituation seinen Geist von eigenen Vorstellungen und Gefühlen befreit hat (Mushin no Kokoro) und somit in der Lage ist, auf Probleme, die sich ihm im Alltag oder in einem Kampf stellen, unbeeinflußt zu reagieren. Das sollte Ziel jedes Deshi sein, nicht irgendwelche auswendig gelernten, komplizierten Katas einem staunenden Publikum vorzuführen. Denn was tut jemand, der immer nur bestimmte Techniken auf bestimmte Angriffe auswendig gelernt hat, wenn etwas unerwartetes geschieht?

Und ist er nicht auch irgendwie blockiert in seinem Geiste? Eines weiß ich sicher, bei Armin lernt man nicht auf diese Art, bei Armin lernt man fürs wirkliche Leben.

Versucht, euch von eurem Lehrer dabei helfen zu lassen, einen ”Geist wie Wasser“ (Mizu no Kokoro) zu erlangen. Dieser bildhafte Ausdruck soll verdeutlichen, welche Vorteile ein freier Geist ohne Vorurteile oder zu viele Gedanken für einen Menschen hat. Wer im Training in der Lage ist, seinen Geist leer und offen zu machen, der sollte versuchen, dies auch im Alltag zu erreichen. Dann kann einen so leicht nichts erschüttern, denn der Geist ist dann wie die Oberfläche eines stillen Sees, die alles reflektiert. In einem ruhigen Wasser kann man die Aktionen des Gegners oder den Ursprung von Alltagsproblemen klar erkennen und auf direktem Wege reflexartig bekämpfen. Wenn der Geist durch starke Gefühle (Wut, Haß, …), Gedanken (was tue ich, wenn der Gegner dies oder jenes tut, …) oder Vorurteile (dieser Gegner ist schwächer; oh je, dieser Gegner ist viel stärker…) gestört wird, wirft das Wasser auf dem See Wellen, und er reflektiert nur noch ein verzerrtes Bild der Wirklichkeit.

Von Mizu no Kokoro hat Armin das erste Mal 1992 nach dem Training, im Gespräch zwischen Lehrer und Schüler, gesprochen. Ich habe mir diesen Begriff daheim aufgeschrieben, da mich das gesagte sehr fasziniert hat. Mir ist damals einiges klar geworden. Ich habe vieles fortan mit anderen Augen gesehen – im Training und im Alltag. Das Training bei Armin hat mein Leben glaube ich insgesamt langsam aber sicher stetig positiv beeinflußt. Er hat nie sehr viel gesprochen, doch sollte man zuhören, wenn er etwas sagt.

Wenn ihr das gelesen habt, sehen diejenigen von euch, die noch nicht so lange bei Armin sind, das Training sowie die Art des Trainings vielleicht mit anderen Augen.
Das ist gut. Ihr solltet wissen, daß das Training zwar nur ein Teil in eurem Leben ist, es euer Leben aber ganz bestimmt sehr positiv beeinflussen kann.

Ihr müßt es nur zulassen.
Ishin-denshin
Mizu no Kokoro
Dino Gheri im März 1997