von Asad

„lch bringe Euch das Töten bei nicht um zu töten sondern um zu überleben.“

Dies waren die ersten Worte, die ich von Sensei Hatsumi gehört habe. Das war auf dem Taikai 1991 in Berlin. Über diese Worte habe ich immer wieder nachdenken müssen. lm ersten Moment sagt man: ja logisch. Aber wenn man sich etwas Zeit nimmt, stellt man fest, daß viel mehr dahinter steckt. Außenstehende werden diese Worte vielleicht schockieren. Aber worum geht es denn beim Überleben? Dies ist ein Recht, das jedem zusteht. Mit diesem Recht werden wir geboren.

Was heißt Überleben eigentlich?

Überleben heißt nicht Siegen und Siegen heißt nicht Überleben. Viele Menschen verwechseln dies! Siegen ist sehr einfach. Das wahrhaft schwierige ist zu überleben. Was steckt in dem Wort „überleben“? Über – leben. Jeden Tag neu, jede Stunde, jede Minute, ja jede Sekunde und das Jahr für Jahr bis zu unserem Tod. Wir tun nur eines: überleben.

Leider tun dies die Menschen nicht auf natürliche Weise. Wir können nur noch unnatürlich überleben und zwar auf Kosten der Natur oder anderer Menschen.

Stellen wir uns für einen Moment eine absolut intakte Natur (die leider nur in unserer Phantasie existiert) hier auf unserer Mutter Erde vor. Und nun stellen wir uns vor, wir befinden uns dort als eine natürliche Person. Können wir überleben? Als natürlicher Mensch, also nackt?

Oder würden wir uns wie ein Fremdkörper vorkommen? Oder würde die Natur uns als Fremdkörper sehen, so wie wir uns benehmen und bewegen? Wenn ja, dann würde sie mit uns dasselbe machen, was unser Körper mit einem Fremdkörper macht: ihn heraus eitern lassen oder auf irgendeine andere Art und Weise entfernen.

Ich glaube, daß nur sehr wenige Menschen in der Lage sind, in der Natur natürlich zu überleben. Wenn wir uns in der Natur bewegen, dann doch nur mit Zelt, Schlafsack, lsomatte und Nahrung für mindestens 5 Jahre. Oder wir buchen uns ein Hotel mit ein paar Einheimischen, die uns dann den ganzen Tag über bedienen. Dann sehen wir aus dem Fenster und sagen uns, wie herrlich es doch ist, inmitten der schönen Natur zu sein. Leider hat dies überhaupt nichts mehr mit natürlichem Überleben zu tun. Wenn wir nun in der Natur wären, was würden wir tun, um zu überleben? Man muß sich der Umgebungssituation anpassen. Und hier sind wir bei einem wichtigen Punkt angelangt: dem natürlichen Anpassen. Das hat nichts mit unterwerfen zu tun, sondern damit, einen Einklang zu schaffen. Dasselbe gilt für die Kriegskünste, für die Straße, für die Arbeit, für Geschäfte, einfach für das ganze Leben.

Und dies alles lehrt uns die Natur. Die Natur ist der Lehrmeister. Der beste, den es gibt. Nur leider verstehen wir ihn nicht. Zu unserem großen Glück gibt es Menschen, die die Natur verstehen, zu deuten und werten wissen. ln der Vergangenheit waren das z.B. Philosophen, Ärzte (Heiler), Mönche, Strategen (z.B. Sun Tsu) oder Meister von Kampfkünsten (beispielsweise chinesischer Kampfkünste). Sie haben die Natur beobachtet, um von ihr zu lernen und somit zu überleben. In der heutigen Zelt sind es Menschen wie unser Soke Masaaki Hatsumi, der uns den Weg des Überlebens mit Hilfe des Bujlnkan zeigt. Er führt uns auf den Weg, wie man im Einklang mit der Erde und dem Universum lebt.

Das Bujinkan ist für mich eine lnsel im Meer des „menschIichen” Chaos und der Unnatürlichkeit. Auf dieser lnsel wird man zurück zum Einklang mit der Natur, dem Universum, zur gegenseitigen Achtung und Liebe geführt. Wir haben das Glück, diese lnsel durch Menschen wie Armin Dörfler betreten zu dürfen, der für uns wie ein Rettungsboot ist. Ich stehe nun am Strand dieser lnsel, sehe und erahne nur, was uns diese lnsel alles bieten kann, doch es ist ein sehr schönes und unglaubliches Gefühl.

Ich kann nur jedem empfehlen: betretet diese lnsel im Meer des Egoismus, der lntoleranz, des Narzismus, des Hasses, der Gewalt, der Stumpfsinnigkeit, der Dummheit und der Gier nach Macht. Es wird jedem von Euch unglaublich viel für das Leben bringen. Seit ich den Weg des Bujinkan gehe, verdanke ich ihm sehr viel. Er ist mein Leben und meine Heimat geworden. Und aus diesem Grund fühle ich mich überall wo es Bujinkan-Dojos gibt zu Hause. So war es auch wieder, als ich beim diesjährigen Yon po kai war. Armin ist jemand, der, seit ich ihn kenne, immer Wert auf Natürlichkeit gelegt hat. Wie oft fand sein Unterricht in der Natur statt. Kein steriles und klimatisiertes ”Dojo“. Das Dojo ist bei ihm die Natur und so sollte es auch sein.

Leider gibt es auch in unseren Reihen sogenannte ”Kampfkunstverkäufer”. Aber ich weiß, wenn sie sich nicht ändern und auf den Weg des Bujinkan kommen, werden sie mit der nächsten Ebbe von der lnsel gespült. Wie schade eigentlich! Euch entgeht so viel.

Aber es gab zu allen Zeiten solche Personen, die sich profilieren oder Geld verdienen wollten. Diese Feststellung machten schon Musashi im ”Buch der fünf Ringe“ und Soke Hatsumi in der ”Sanmyaku“.

Auf dem Weg des Bujinkan sollte der Charakter des Menschen gefestigt werden und er sollte die Dämonen der Gier abgeschüttelt haben. Die Dämonen sind wie Rauschgift. Hat man sie erst einmal genossen, dann kommt man nicht mehr von ihnen los. Und man wird sich gegen sich selbst, die Natur und das Universum richten. Man wird nicht wahrhaft leben.

Bujinkan ist, wenn man so sagen will, die Möglichkeit einer Entziehungskur, also zu überleben.

Lieber Armin, ich danke Dir für alles.

In hoher Achtung

Asad Girakossyan
im September 1997

Abschließend möchte ich Euch noch die Bücher des Autors Tom Brown empfehlen. Er hat sein Wissen von einem Apachen. Für mich handeln seine Bücher von nichts anderem als von Ninpo, nur auf einem anderen Erdteil. Es gibt fünf deutschsprachige Bücher von ihm und ich kann Euch jedes einzelne davon empfehlen.